Schmerz und Psychosomatik
Aus psychologischer Sicht sind Schmerzempfindungen mit einem Lernprozess verbunden: Neurophysiologisch entstehen Schmerzwahrnehmungen durch Signale in den Schmerzleitungen. Erst kognitive Verarbeitung der immer gleichen Ursignale führen zu der Erkenntnis Schmerz. Auf dem Weg vom Entstehungsort des Schmerzes bis zur kortikalen Rinde sind im Prinzip alle Signale gleich. Erst unser Lernverhalten und unsere Erinnerung bringen Bedeutungen in die diffusen Signale und interpretieren sie als Schmerz.
Beispiel: Bei einem plötzlichen Unfall kennen wir alle das Phänomen, dass wir auch bei erheblichen Verletzungen zuerst keinen Schmerz empfinden. (Man nennt es auch Schock, aber was ist Schock? Genau doch das noch Nichterkennen einer Situation!) Erst das verzögerte Begreifen des Geschehenen mit der nach folgenden kognitiven Verarbeitung der Situation weckt die Schmerzen auf.
Wenn Schmerz also ein gelerntes Verhalten ist, kann ich es auch wieder verlernen. Die Um-Interpretierung von Schmerz in ein „Intensives Gefühl“ gibt dem Menschen in der Hypnose die Möglichkeit, außer dem Schmerzgeschehen auch noch andere Wahrnehmungen zu haben. Selbst der Tinnitus ist in den meisten Fällen eine Fixierung auf einen bestimmten Lernvorgang, auch hier kann durch Verlernen der Fixierung erhebliche Linderung stattfinden.
Die Lernphase mit der berühmten Fixierung auf das Schmerzgeschehen beschreibt Wilhelm Busch (Balduin Bählamm, der verhinderte Dichter. Kapitel Acht.) exemplarisch für das gesamte Phänomen humorvoll und wie immer treffsicher:
Das Zahnweh, subjektiv genommen
ist ohne Zweifel unwillkommen!
Doch hat s die gute Eigenschaft,
dass sich dabei die Lebenskraft,
die man nach Außen oft verschwendet,
auf einen Punkt nach innen wendet…
Kurz, jede Form gewohnten Seins,
die sonst real erscheint und wichtig,
wird plötzlich wesenlos und nichtig.
In der Phase des Verlernens ist Hypnose hilfreich, um die Verselbständigung eines Schmerzgeschehens wieder auf eine angemessene Größe zu reduzieren.
Durch Wiederholung von Schmerz entsteht, wie bei anderem Lernen auch, eine neuronale Datenautobahn, auf der die Signale des Schmerzortes bevorzugt befördert werden. Über die Sinnhaftigkeit eines Signals hinaus (selbstverständlich haben Schmerzen auch eine lebenswichtige Warnfunktion) kann sich dieses Geschehen verselbständigen. In der therapeutischen Aufarbeitung der Grundlagen werden Signale, Erfahrungen und gelerntes Verhalten wieder in einen sinnvollen und angemessenen Kontext gestellt.